Seit gestern rollt sie wieder über uns hinweg – die Informationslawine der Medien.
Seit gestern erfahren wir zum wiederholten Male, wie der Massenmörder aus Norwegen mit Vor-, Zweit- und Nachnamen heißt, wie alt er genau ist, welchen familiären Verhältnissen er entstammt, welche (w)irren Ziele er verfolgt und sehen ihn mit gehobenem Arm (die damit verbundene Andeutung will ich nicht aussprechen) im Gerichtssaal.
Ist das die gemeinhin als “Informationspflicht” deklarierte Berichterstattung?
Wo endet diese Informationspflicht und wann machen sich Medien zum Handlanger von Menschen… sorry, dieser Begriff ist eine Beleidigung an alle Opfer… von verachtungswürdigen Individuen, die nur ein Ziel verfolgen:
Einmal in ihrem kümmerlichen Leben nicht durch menschliche Leistung, sondern irgendwie (und sei es durch Inkaufnahme des Todes zahlloser Unschuldiger) eine weltweite Plattform zu bekommen.
Was für eine Farce ist diese “Informationspflicht” der Medien, die uns (wenn dann) nur im Nebensatz über Menschen informiert, die andere (z.T. ihnen gänzlich unbekannte) Menschen selbstlos und unter Einsatz ihres eigenen persönlichen Lebens retten, aber Massenmördern die Möglichkeit geben, ihre gesellschaftsfeindlichen Vorstellungen zu präsentieren?
Wann fängt die Presse an, sich selbst und ihre Ziele in Relation zur Gesellschaft zu stellen? Was muss passieren, damit wir (als Gesellschaft) erkennen, welche Vorstellungen und Ziele wir damit indirekt oder direkt unterstützen?
77 Menschen fehlen uns!
Sind 77 – in Worten siebenundsiebzig! – rücksichts- und grundlos in Selbstjustiz hingerichtete, größtenteils junge Menschen kein Grund, unseren Umgang mit dieser Informationspflicht zu überdenken und uns zu fragen, wie weit diese gehen darf und soll?
77 Menschen hatten ein Leben vor sich!
Ihre Leben sind unwiederbringlich ausgelöscht und sie hinterlassen Familien, deren Schmerz unvorstellbar und nicht im Entferntesten nachvollziehbar ist.
77 Menschen, die Träume, Wünsche und ihre individuellen Vorstellungen vom Leben hatten und niemals auch nur ansatzweise daran dachten, zum namenlosen Werkzeug eines verachtungswürdigen Individuums zu werden.
77 Menschen, die eine Zukunft vor sich hatten, ehe sie jäh und ungefragt daran gehindert wurden, diese jemals zu erleben und frei in unserer Gesellschaft zu gestalten.
77 Menschen, von denen vielleicht der ein oder andere unseren Weg unter anderen Umständen gekreuzt und uns (vielleicht auch nachhaltig) geprägt hätte.
77 Tote… das sind siebenundsiebzig zu viel.
Demgegenüber steht ein einzelnes, verachtungswürdiges Individuum, dessen komplettes Leben und alle Einzelheiten umfassend hinterfragt, diskutiert, veröffentlicht und analysiert werden.
Meine persönliche Konsequenz
Ich habe meine Konsequenz daraus gezogen und wechsle bewusst im Fernsehen und Radio den Sender, denn ich will mir weder den Namen dieses Massenmörders merken, noch will ich ihn oder seine Vorstellungen und Gründe hören – allein aus Respekt vor den 77 Opfern, die viel zu früh und grundlos starben und deren Vor-, Zweit- und Nachnamen ich kein einziges Mal in den Berichterstattungen der aktuellen Tage höre oder lese.